Jäger und
Sammler
Steve Cabella sammelt seit Jahrzehnten Vintage-Möbel von Herman Miller. Wir besuchen den ultimativen Fan in seinem Haus von William Wurster aus dem Jahr 1935 mit Blick auf die Bucht von San Francisco, um uns seine Geschichten anzuhören.
Verfasst von: William Bostwick
Photograpy by: Mariko Reed
Veröffentlicht: 26. April 2024
Steve Cabellas Monark-Fahrrad lehnt an einer Betonwand vor seinem Haus, einem von William Wurster entworfenen einstöckigen Gebäude am Rande der Bucht von San Francisco in Point Richmond. Das Haus und das Fahrrad sind gleich alt – Baujahr 1935 – und beide sind noch gut in Schuss. „Es fährt, es kurvt, es bremst – natürlich fahre ich es noch”, so Cabella.
Als unersättlicher und langjähriger Sammler verbringt Cabella seine Zeit damit, in Archiven zu stöbern und Ausstellungen zu organisieren. 12 hat er bis jetzt veranstaltet, darunter „Ray and Charles in Hollywood” über die Verbindungen des Designers in die Filmindustrie. Das „Modern i”, sein Möbelgeschäft in San Anselmo, war eine Anlaufstelle für Midcentury-Fans. Das Geschäft in San Anselmo hat er geschlossen, aber er sammelt weiterhin Geschichten. Während die Flut gegen die Ufermauer schwappt, erzählt Cabella von seinem Fahrrad und seinem Lieblingsmaterial: Aluminium.
„Ich liebe Aluminium”, sagt er. „Monark verwendete Aluminiumrohre in Flugzeugqualität – das war das, was damals verfügbar war. Es war leicht zu bekommen, ein ehrliches, einfaches und formbares Material. Es kann alles sein, was man will, aber es sieht immer nach dem aus, was es ist.” Er betrachtet das Fahrrad eine Weile, während sich die maritime Sonne auf dem Lack spiegelt. „Ich mag es aus genau den gleichen Gründen.”
In Cabellas Haus ist die Vergangenheit allgegenwärtig. Der Sammler hat es mit Midcentury-Prachtstücken aus seinem persönlichen Archiv ausgestattet. Sie stammen von Designikonen wie George Nelson, Charles und Ray Eames sowie Alexander Girard. Er spricht über sie in der Gegenwartsform, und ihr Geist ist greifbar, ein hallendes Echo wie die Wellen unter dem Haus. Cabella hat sein Leben damit verbracht, Stimmen zuzuhören, die nur wenige andere wahrnehmen.
Er begann schon früh mit dem Sammeln, ging als Teenager auf Flohmärkte und suchte nach gutem Design, guten Geschichten – oder sonst irgendetwas, das der Nüchternheit seiner Kindheit in Marin entgegenwirkte. Cabella lebte immer ein paar Jahrzehnte in der Vergangenheit – in den späten Sechzigern kleidete er sich viktorianisch, dekorierte sein Zimmer mit Stoffen aus der Jahrhundertwende und veranstaltete Partys, bei denen korrekte Kleidung aus der Epoche vorgeschrieben war „bis hin zur Uhr in der Tasche“. Sein Highschool-Jahrbuchfoto zeigt einen jungen Mann, der wie ein Dandy aus dem neunzehnten Jahrhundert gekleidet ist. „Authentizität ist eine Form von Respekt.”
„Objekte bergen Geschichten. Aber man muss
sich die Zeit nehmen, sich hinzusetzen
und jedes Detail zu studieren. Man muss ihnen seine
volle Aufmerksamkeit schenken.”
Ende der siebziger Jahre, als er sein Geschäft, das „Modern i”, eröffnete, beschäftigte er sich mit Art Déco. Dieser Stil war damals unter Sammlern angesagt und hatte seinen Reiz: „Starke Ästhetik erzählt eine unmittelbare Geschichte.” Aber Art Déco war teuer, seine edlen Kurven denjenigen vorbehalten, die es sich leisten konnten. „Das war nichts für Leute wie mich.”
Das 1935 von William Wurster (Namensgeber des Gebäudes der Architekturfakultät der nahe gelegenen University of California in Berkeley) entworfene Haus bietet einen Blick auf die Bucht von San Francisco in Richtung Marin.
Das Midcentury-Design hingegen sprach ihn an. „Es hatte etwas Sparsames, Ehrliches”, sagt Cabella. Außerdem war es bei Sammlern noch nicht beliebt. Tatsächlich waren die meisten seiner frühen Funde ausrangierte Stücke, die er in verstaubten Secondhand-Läden oder in Kellern vergraben fand. „Ich wollte zeigen, dass 30 Jahre alte Sachen immer noch relevant sind.”
In der Tat haben sie noch immer etwas zu erzählen. „Objekte bergen Geschichten”, sagt Cabella. „Aber man muss sich die Zeit nehmen, sich hinzusetzen und jedes Detail zu studieren. Man muss ihnen seine volle Aufmerksamkeit schenken.”
Ein Beispiel dafür sind die runden, mit perforiertem Masonit hinterlegten Schalllöcher auf der Vorderseite eines Schichtholzradios aus dem Jahr 1946. „Sie waren dabei, die Formsperrholztechnik zu erforschen“, erklärt er. „Diese Kreise tauchen immer wieder auf.“ Schließlich als Vertiefungen in den Schichtholztüren des ESU. Dieses von Eames entworfene Radio ist eine von vielen Raritäten an der Wand von Cabellas Büro. Er zeigt auf die Radios, als wären sie Familienfotos an der Kühlschranktür: „Das ist ein Eames. Das auch. Girard. Eames. Das könnte auch ein Eames sein, aber ich habe es mir noch nicht angehört.” Er meint seine Geschichte – keine Radiosendung. „Oh, sie funktionieren, aber ich bin halb taub. Wenn ich mir etwas anhöre, dann Jazz. Der ist zeitlos.”
Von all den Schätzen, die durch Cabellas Geschäft und Haus gespült wurden, mag er die Prototypen am liebsten. „Ideensamen” nennt er sie. In seinem Schlafzimmer steht ein Prototyp einer Kommode von George Nelson aus dem Jahr 1949 oder 1950. Wie Cabella erzählt, spielten Nelson und die Eames mit Aluminium, das durch die Flugzeugindustrie des Krieges neu (und günstig) verfügbar war. Bei dieser frühen Version der Kommode mit Stahlrahmen für Herman Miller verwendete Nelson Aluminium für die Griffe. „Die Eames verwenden Aluminium aus einer mechanischen, technischen Perspektive“, so Cabella. „Nelson verwendet es als etwas Organisches. Fühlen Sie das!“ Die Griffe sind gerade so stark gebogen, dass der Daumen hineinpasst, und fühlen sich kühl und unnatürlich weich an, wie vom Meer geschliffenes Glas, etwas Festes, das sich ins Meer zurückzieht. Das Aluminium wurde bei der Kommode, die schließlich in Produktion ging, durch robusteren Stahl ersetzt. „Die Kommode war zu elegant”, sagt Cabella. „Ihrer Zeit vier oder fünf Jahre voraus. Jetzt ist sie ein Waisenkind.”
„Authentizität ist eine Form von Respekt.”
Die Kommode und andere Waisenkinder wie sie haben hier bei Cabella ein Zuhause gefunden. „Ich bin der dritte Besitzer dieses Hauses“, sagt er, während er von der Terrasse hinunter zu einer kleinen, von Wellen umspülten Veranda mit Blick auf Tiburon und Angel Island geht. „Als die Frau, die vor mir hier wohnte, mich fragte, was ich von ihrer atemberaubenden Aussicht hielt, sagte ich, die Aussicht sei mir egal. Und wir saßen stundenlang da und unterhielten uns. Das ist meine Nahrung.“