Kann das Büro-Design die Effizienz verbessern?
Fallstudie von Harry's
New York City, New York, US
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Der ehemalige Firmensitz von Harry's war ein einziger höhlenartiger Raum, ein 280 m² großes Loft im New Yorker Viertel SoHo. Für den Anfang genau das Richtige. Der offene Raum förderte die Interaktion, und weil es nur wenige Mitarbeiter gab, konnte man sich problemlos zurückziehen, wenn man seine Ruhe haben wollte. Aber als das Unternehmen auf 65 Mitarbeiter angewachsen war, begann das Büro seinen Charme zu verlieren. Die Geschäftsanalysten starrten mit zugekniffenen Augen auf Kalkulationstabellen, während neben ihnen gesprächige Kundendienstmitarbeiter saßen und sich die Produktmuster und Verpackungsmaterialien bis in den Empfangsbereich ausbreiteten.
„Es war wahnsinnig hektisch“, erinnert sich Scott Newlin, Leiter Design des Unternehmens, das im Bereich Körperpflege für Männer tätig ist. „Diese geballte Energie gibt einem natürlich Kraft, aber irgendwann verhindert sie auch den Arbeitsalltag, schon wenn man einfach nur ein Telefonat führen möchte.“
Ineffizienz: die Kosten des „Weiter so“
Angesichts des allgegenwärtigen Lärms und Gewusels begannen die Mitarbeiter, private Gespräche und Telefonate auf dem Flur oder im Treppenhaus zu führen. Und auch für Meetings wurde es eng. Da es nur zwei Konferenzsäle gab, mussten diese nicht selten im Lastenaufzug abgehalten werden.
„Im Winter saßen wir mit dicken Wintermänteln an einem kleinen Papptisch“, sagt Jeff Raider, einer der Gründer und Geschäftsführer von Harry’s. „Da wurde uns klar, dass wir mehr Räume brauchen.“
Es ging also nicht allein darum, dass ein Meeting im Aufzug nicht sonderlich bequem ist. Das alte Büro stand der gemeinschaftlichen kreativen Arbeit im Weg, die aus dem Start-up zweier Männer ein boomendes Business gemacht hatte.
„Es gibt bei uns nur wenige Leute, die ein Projekt von Anfang bis Ende verfolgen“, sagt Raider. „Meist entwickeln wir Projekte in Teamarbeit. Aber im alten Büro war das nur sehr eingeschränkt möglich. Die meisten Flächen war Einzelarbeitsplätze, sodass es nur wenig Platz für Gruppenarbeit gab.“
Auch sank die Effizienz der Mitarbeiter. Die Meetings in dem einzigen verfügbaren Konferenzsaal zu organisieren kostete sie zahlreiche Stunden, in denen sie E-Mails hin und her schrieben. Und da es nur wenig Stauraum gab, der zudem fernab der Arbeitsbereiche lag, wurden einfache Aufgaben unnötig verkompliziert.
Zwar hatten sich die meisten Mitarbeiter mit den Fallstricken ihres Büros arrangiert, aber auf neue oder potenzielle Mitarbeiter wirkte all das unprofessionell und abschreckend.
„Natürlich gab es einige Interessenten, die gern für uns arbeiten wollten“, sagt Newlin. „Aber wenn sie in unser altes Büro kamen, überlegten sie es sich zweimal, ob sie mit all dem Gewirr und Lärm und der Hektik leben wollten.“
Neue Erkenntnisse durch den Entdeckungsprozess
Es war also Zeit, neue Räume zu suchen und das Büro anders einzurichten. Für die Planung des neuen, über 2415 m² große Büros, arbeitete Harry‘s mit Studio Tractor und Herman Miller zusammen. Und weil Harry's die alten Probleme nicht mit in die neuen Räume nehmen wollte, schaute man sich Living Office® von Herman Miller an, das Einblicke in die verschiedenen Arbeitsweisen von Mitarbeitern gibt, um entsprechende Arbeitsumgebungen einzurichten, in denen jeder gerne arbeitet.
Zu Beginn führte Herman Miller Harry's durch den Entdeckungsprozess von Living Office, um Zweck, Geschäftsfaktoren, Charakter und Tätigkeiten des Unternehmens zu bestimmen. Anhand dieser Parameter kann die betreffende Organisation zusammen mit ihren Designpartnern eine Arbeitsumgebung schaffen, die mit ihrem Mix verschiedener Bereiche den Bedürfnissen der Mitarbeiter und des Geschäfts entspricht.
Die Leiter des Unternehmens machten den Anfang, indem sie wichtige Unternehmensziele benannten, die durch die neue Arbeitsumgebung verbessert werden sollten. Dazu gehörten ein intensiverer Wissensaustausch, höhere Effizienz und Attraktivität für herausragende Talente.
Anschließend kamen Fokusgruppen der Mitarbeiter zusammen, um den Charakter der Organisation anhand verschiedener Aspekte zu bestimmen – formell oder informell, einheitlich oder vielfältig – und die täglichen Arbeiten nach Priorität zu ordnen. Dabei kam es zu einigen überraschenden Erkenntnissen.
Von der Analyse zum Raumplan
Die erste Erkenntnis war, dass sich die Mitarbeiter von Harry‘s ein formelleres Unternehmen – und Büro – wünschten. Nach ihren Erfahrungen mit einem chaotischen, offenen Büro, das ihrer Arbeit oft im Weg stand, wollten sie gern mehr Struktur, eine bessere Organisation und höhere Effizienz.
„Wenn du in einem beengten Raum arbeitest, der keine Wände und keine Rückzugsbereiche hat, dann wünschst du dir irgendwann einfach mehr Struktur“, sagt Newlin. „Womöglich sogar ein eigenes, abgeschlossenes Büro.“
Die zweite, ebenso wichtige Erkenntnis war, dass sich die alten Räumlichkeiten nicht für alle Arbeiten eigneten, die im Laufe eines Tages anfielen – die Entwicklung neuer Produkte, das Beantworten von E-Mails, Telefonanrufe, kurze oder längere Gespräche, gemeinsame Problemlösung, um nur einige Punkte zu nennen.
„Im Entdeckungsprozess haben wir unsere Tätigkeiten und den Raumplan in harten Fakten und Zahlen ausgedrückt“, sagt Newlin. „Wir brauchen soundso viele Konferenzsäle, wir brauchen soundso viele Räume für Einzelgespräche, soundso viele Lounge-Bereiche, in denen man mit dem Laptop auf dem Schoß arbeiten kann.“
Die richtigen Arbeitsumgebungen an der richtigen Stelle
Derlei Erkenntnisse halfen Harry's und dem Designteam von Studio Tractor dabei, eine vielfältige Bürolandschaft zu entwickeln, deren verschiedene Arbeitsumgebungen alle Tätigkeiten des Unternehmens unterstützen würde – was in den höhlenartigen neuen Räumlichkeiten kein ganz leichtes Unterfangen war. „Wenn du 2415 m² Platz hast, musst du aufpassen, dass das Büro nicht zur Geisterstadt wird“, sagt Mark Kolodziejczak, Architekt bei Studio Tractor. „Mit Living Office stehen dir verschiedene Arbeitsumgebungen zur Verfügung, die sich für verschiedene Tätigkeiten eignen. Die Bereiche sind zwar voneinander getrennt, aber alles findet in unmittelbarer Nähe statt.“
Jetzt verfügen die Mitarbeiter von Harry‘s über formale Meeting Space (Sitzungsraum) für Besprechungen mit potenziellen Investoren, kleine Coves (Bucht) für informelle Gespräche und lebhaftere Hives (Bienenstock) für den Kundendienst, wo E-Mails beantwortet oder kurze Gespräche unter Kollegen geführt werden. Die Grafikdesigner können in der Arbeitsumgebung Clubhouse kreativ werden. Und wer für eine Aufgabe Ruhe benötigt, kann sich in einen Haven begeben – einen abgeschlossenen Raum, der sich ideal für Telefonate eignet oder um ein schwieriges Problem zu durchdenken.
Angesichts dieser vielfältigen Arbeitsumgebungen, die ihnen die Freiheit ließen, zu arbeiten, wann und wo sie wollen, freuten sich die Mitarbeiter schon auf die neuen Räumlichkeiten. Ernst wurde es aber erst sechs Monate später, als sich Herman Miller einschaltete, um zu prüfen, ob die entwickelten Arbeitsumgebungen tatsächlich den Austausch unter den Mitarbeitern förderten und zu höherer Effizienz führten. Dazu führte Herman Miller eine großangelegte Studie durch, für die verschiedene Methoden angewandt wurden: Beobachtung der Mitarbeiter ebenso wie ausführliche Befragungen der Leiter und Mitarbeiter.
So schrieb ein Mitarbeiter: „Im neuen Büro können wir uns leichter mit den Kollegen aus den anderen Abteilungen austauschen. Aber es ist gleichzeitig ruhig und bequem, sodass man konzentriert arbeiten kann.“
Mehr Raum für Entdeckungen
Die richtige Arbeitsumgebung ist das eine, damit Menschen besser zusammenarbeiten können. Das andere sind die Flure und offenen Bereiche, die zur Begegnung einladen. Sie machen 58 Prozent des Raumplans aus. Hier herrscht große Bewegungsfreiheit, man läuft sich zufällig oder absichtlich über den Weg und tauscht Ideen aus – was jetzt viel häufiger geschieht als früher, als nur 37 Prozent des Raumplans dafür vorgesehen war.
„Im alten Büro blieben die Leute eher an ihrem Platz, weil es zu wenig Bewegungsfreiheit gab. Oder man bewegte sich, weil man es satt hatte zu sitzen“, sagt die Personalchefin Rachel Peck. „Hier dagegen bewegt man sich gern und fühlt sich geradezu dazu eingeladen.“
Effizienz durch Nähe
Zu Beginn des Projektes hatte die Leitung von Harry's „höhere Effizienz“ als einen wichtigen Geschäftsfaktor genannt. Dieser Punkt hing eng mit dem Wunsch der Mitarbeiter nach einem reibungsloseren, strukturierteren Arbeitsfluss zusammen, der sich im Entdeckungsprozess herauskristallisiert hatte. Genau das ist jetzt dank des effizienten neuen Raumplans möglich.
„Unser Marketingteam sitzt nun direkt neben der Kundenakquise, wodurch der tägliche dutzendfache Austausch erleichtert wird“, sagt Newlin. „Die Arbeit geht dadurch viel reibungsloser vonstatten. „Und wir verlieren weniger Zeit zwischen den verschiedenen Aufgaben.“
Die Umfrage unter den Mitarbeitern zeigt, dass auch ihnen die gesteigerte Effizienz aufgefallen ist. Nur 29 Prozent meinten, das alte Büro habe ihnen ein produktives Arbeiten ermöglicht, während es in den neuen Räumlichkeiten 70 Prozent sind.
Die Marke im Mittelpunkt
Wer das neue Büro von Harry's betritt – hell, offen, lebendig und zugleich strukturiert –, kann sich sofort denken, dass diese Arbeitsumgebung neue Talente anlockt, der dritte wichtige Geschäftsfaktor. Man sieht sofort, welche Art von Unternehmen hier seinen Sitz hat. Die Marke und Unternehmenskultur von Harry's zeigt sich sowohl in den größeren Designentscheidungen als auch in kleinen Details – einem Displaybereich mit knallbunten Rasierern, Flaschen mit Rasiercreme und -lotion oder dem knallblauen Harry's-Logo auf den Tischbeinen.
„Wenn ich einen potenziellen neuen Mitarbeiter von Harry‘s überzeugen will, sage ich ihm: ‚Besuchen Sie uns in unserem Büro. Sehen Sie sich an, wie wir arbeiten.‘“, sagt Raider. „Wir sind stolz auf unsere neuen Räumlichkeiten, deshalb sprechen sie für sich. Wer herkommt, ist auf Anhieb begeistert. Das Büro ist großartig eingerichtet, offen, kollaborativ. Es ist ein großartiges Spiegelbild unserer Marke.“
Peck kann dem nur zustimmen: „Alle Gäste oder Besucher sind beeindruckt, wenn sie herkommen. Es ist schön, endlich in einem erwachsenen Büro zu arbeiten, in das man gern Freunde, Bewerber oder Investoren einlädt.“
Die Mitarbeiterbefragung unterstreicht diesen Eindruck. Vor dem Bezug der neuen Räume luden nur 47 Prozent der Mitarbeiter gern Besucher zu sich ein. Jetzt sind es 98 Prozent. Und sie sind stolz darauf, ihr neues Büro zu präsentieren.
Der Mensch an erster Stelle
Die neuen Räumlichkeiten erfüllen nicht nur Harry's Geschäftsbedürfnisse, sondern auch die grundlegenden Bedürfnisse seiner Mitarbeiter wie Sicherheit oder Autonomie. Beispiel Sicherheit: Wenn die Mitarbeiter ihre Arbeit auf angenehme, intuitive Weise erledigen können, machen sie sich weniger Sorgen und sind konzentrierter. Newlin hat bereits bemerkt, dass genau das im neuen Büro der Fall ist. „Du kommst herein und weißt sofort, was du heute zu tun hast, wo du arbeiten wirst und wo du nicht benötigte Sachen ablegen kannst“, sagt er.
Insbesondere scheint durch die verschiedenen Wahlmöglichkeiten das Bedürfnis nach Autonomie befriedigt zu werden. Das bestätigt auch die durchgeführte Umfrage: 83 Prozent der Mitarbeiter sagten, ihnen würden genau die Arbeitsgeräte und Ressourcen zur Verfügung stehen, die sie für ihre Arbeit benötigten, und 60 Prozent sagten, sie könnten frei wählen, wo sie arbeiten wollten. Newlin sieht schon jetzt einen positiven Effekt auf die Mitarbeiterzufriedenheit. „Wir haben jetzt mehr Bereiche, wo gearbeitet werden kann, ohne durch Gespräche gestört zu werden“, sagt er. „Unsere Mitarbeiter scheinen insgesamt zufriedener zu sein mit ihrem Arbeitsplatz.“
Diese Verbesserung zeigt sich auch in den Ergebnissen der Leesman-Umfrage, die die Effektivität am Arbeitsplatz und die Mitarbeiterzufriedenheit misst. Während die alten Büros auf dem Leesman-Index nur 48,4 von 100 Punkten erreichten, erhielt der neue Firmensitz 71,9 Punkte – fast 12 Punkte mehr als der weltweite Leesman-Vergleichsindex, der bei 60,1 liegt.
Auf Wachstum getrimmt
Harry's neue Räumlichkeiten sind sicher noch nicht perfekt – so mussten etwa weitere Möbel für neue Mitarbeiter bestellt und verschiedene Änderungen am Raumplan vorgenommen werden, um den Arbeitsfluss weiter zu verbessern – aber genau für solche Fälle wurde das Living Office entwickelt. Mit ihm lassen sich zweckmäßige Arbeitsumgebungen schaffen, die sich mit dem Unternehmen und dessen Mitarbeitern organisch weiterentwickeln.
„Unser Living Office hat tatsächlich etwas sehr Lebendiges“, sagt Raider. „Lebendig kann dabei Vieles bedeuten. Erst einmal lässt es sich hier gut leben. Dann ist unsere Kommunikation sehr lebendig, sie bringt Schwung und Energie in unseren Arbeitsalltag. Und nicht zuletzt kann sich unser Büro stetig weiterentwickeln. Das passt sehr gut zu unserer Vorstellung, wie unser Geschäft wachsen soll. Deshalb sind wir sehr zufrieden mit unserem Living Office.“